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Wie lief's im Examen, Paul?

Motivation statt Sommerpause: Paul berichtet euch heute im Interview über seine gelungene Examensvorbereitung und wie er es geschafft hat, sein Studium in Bayern mit Prädikat abzuschließen. Unterhaltsam und ermutigend – viel Freude beim Lesen! Und dir, Paul, an dieser Stelle noch einmal herzlichen Glückwunsch zu dem tollen Ergebnis! 🏆

Copyright Bild: Kammeran Gonzalez-Keola

Hallo, Paul! Wie ist es gelaufen?

 

Entgegen meiner Vorstellung sehr viel besser als erwartet! Ich habe im staatlichen Teil ein VB erzielen können. Zusammen mit dem Schwerpunkt komme ich auf 10,90 Punkte im Gesamtergebnis.

In welchem Semester bist du ins Examen gegangen? Wie lang war deine Examensvorbereitung insgesamt? Hast du abgeschichtet?


Ich bin nach 12 Semestern ins Examen gegangen, nachdem ich im 10. Semester damit angefangen habe. Insgesamt dauerte die Examensvorbereitung bei mir die typischen 18 Monate. Ein Abschichten ist in Bayern nicht möglich.

 

Wie fandest du die Klausuren? Wie war dein Gefühl danach?

 

Die Klausuren an sich waren alle durchweg machbar. Inhaltlich war eigentlich nichts total Fremdes dabei. Ich hatte daher bei keiner Klausur das Gefühl, komplett gegen die Wand gefahren zu sein.

 

Schlimmer war (für mich) die Zeit danach. Es gehen ja doch ein paar Monate ins Land und hier und da bekommt man (über Buschfunk, "Examensreports" in Zeitschriften oder Leute, die meinen sich laut darüber unterhalten zu müssen – Grüße gehen raus) auch mit, was man falsch gemacht hat bzw. haben könnte. Das hat mich ehrlicherweise doch arg nervös gemacht und für eine innere Unruhe gesorgt. Ich hatte ständig das Bedürfnis, die Lösung meiner Klausuren auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Das habe ich dann aber nicht gemacht – zum Glück. Zum einen kann man eh nichts mehr ändern und zum anderen kommt es ohnehin immer anders als erwartet.


Wie hast du dich vorbereitet? Hast du ein Rep besucht? Mit welchen Mitteln hast du gelernt?


Ich war ein Jahr in einem kommerziellen Repetitorium. Danach besuchte ich verschiedene Kurse an der Uni, um gewisse Teile des Stoffes noch einmal zu vertiefen und rekapitulieren zu können. Die jeweiligen Fälle habe ich nie vorbereitet, sondern nur nachbereitet und mir die wichtigsten Infos auf Karteikarten geschrieben. Das zunächst alles handschriftlich. Irgendwann ging mir der Überblick verloren und ich habe nach Alternativen gesucht. Dabei bin ich zunächst auf Anki gestoßen und ein paar Monate später auf die Basiskarten. Nach kurzer Überlegungsfrist entschied ich mich im Februar letzten Jahres, alle Karten zu erwerben. Retrospektiv muss ich sagen: Das war es wirklich mehr als wert – die Karten haben zu einem nicht unerheblichen Teil zum Erfolg meines Examens beigetragen!

 

Abseits der Karteikarten habe ich viele Fälle gegliedert, d.h. eine Lösungsskizze angefertigt, danach mit der Musterlösung verglichen und mir ebenso Probleme, Fehler und neues Wissen auf Anki-Karteikarten geschrieben. Empfehlenswert hierfür sind die (Original-)Referendarsklausuren aus der JuS und etwaiger anderer Ausbildungszeitschriften. Habe ich ein Problem gar nicht verstanden, habe ich auf Lehrbücher in der Bibliothek zurückgegriffen, wobei ich dabei keinen Favorit hatte.


Was unterscheidet die Basiskarten deiner Meinung nach von anderen Lernmitteln?

 

Name ist Programm – die Karten vermitteln eben die Basics. Durch ihre Kürze lassen sie sich sehr gut einprägen und die Informationen bleiben (bei regelmäßiger Wiederholung) verlässlich im Langzeitgedächtnis. Das hat mir extrem geholfen, denn Grundlagenwissen ist der Schlüssel zum (Examens-)Erfolg!

 

Auch hat mir die Merkwort-Technik generell und gerade im Strafrecht extrem geholfen, einen Überblick über die verschiedenen in Betracht kommenden Tatbestände bei einer bestimmten Handlung zu behalten und von vornherein abwegige Normen herausfiltern zu können. Abseits davon finde ich es sehr praktisch und gedächtnisschonend, statt Schemata zu pauken, ein Wort im Kopf aufzusagen und das Schema sofort parat zu haben.

Wie bist du mit neuen Stapeln umgegangen? Wie viele Karten hast du pro Tag neu gelernt?


Ich habe versucht, bei Beginn eines neuen Stapels diesen sofort vollständig zu lernen. Dementsprechend waren auch (teilweise) viele Karten am Tag danach fällig. Mein tägliches Limit an neuen Karten lag aber dennoch bei 100.


Wie sah ein typischer Tag in der Examensvorbereitung für dich aus? Wie viele Tage hast du pro Woche gearbeitet?


Ich bin meistens zwischen 7 und 8 Uhr morgens aufgestanden und habe dann bei einer Tasse Kaffee meine fälligen Karten wiederholt. Generell bin ich eher ein Morgen-Mensch, sodass ich damit nach ca. 2 h im Regelfall fertig war. Danach habe ich den Rest des Tages neue Karten gelernt und Fälle gegliedert und diese durchgearbeitet. Meistens war um 18 Uhr Schluss, manchmal aber auch später. Das Ganze habe ich 5 Tage lang gemacht und an einem Tag (meistens Samstag) Klausur an der Uni bzw. – dank Corona – Zuhause geschrieben. Sonntag war ausnahmslos immer frei.

 

Zudem habe ich die Rechtsgebiete auch nach Verteilung der Klausuren im bayerischen Examen gelernt, d.h. 3 Tage Zivilrecht, 2 Tage öffentliches Recht und 1 Tag Strafrecht. Je nachdem, welches Themengebiet im Klausurenkurs lief, entfiel allerdings der entsprechende Lerntag. Habe ich also eine Klausur im Zivilrecht geschrieben, habe ich nur  2 Tage Zivilrecht gelernt und den Rest wie gehabt. Lief Strafrecht, habe ich in der Woche gar kein Strafrecht mehr gelernt. Einzige Ausnahme dabei: Jeden Tag alle fälligen Karten aus jedem Gebiet lernen, egal welche Klausur lief. 

Wie viele Übungsklausuren hast du geschrieben?

Insgesamt genau 70 Stück.

Gibt es sonst noch Tipps, von denen du besonders profitiert hast und die du weitergeben möchtest?

 

Klausuren schreiben ist wichtig, klar. Ich denke aber, dass eine Regel à la "Du musst [hier bitte beliebige Zahl einfügen] Klausuren schreiben, damit du eine vernünftige Note bekommst" absoluter Quatsch ist. Natürlich ist es wichtig, damit man ein Gefühl für Zeitmanagement und Klausurtaktik bekommt. Allerdings sollte jeder für sich selbst entscheiden, ob er der Typ hierfür ist. Wem es auf Dauer nichts bringt haufenweise Klausuren zu schreiben, der sollte es lassen und die Zeit lieber anders investieren. Ich persönlich war bzw. bin ein Typ, dem es extrem hilft, da ich erst durch das Ausschreiben der Klausuren am meisten hiervon mitnehme.

 

Zudem: Es muss nicht immer die Klausur sein. Auch das Skizzieren von Fällen kann ich jedem wirklich nur empfehlen, denn auch dabei wird man zum einen mit Wissenslücken konfrontiert und kann zum anderen infolge direkter Kontrolle mit der Musterlösung aus Fehlern schneller und vor allem zeitsparender lernen.

 

Was war für dich das Schwierigste an der Examensvorbereitung?

 

Das kontinuierliche Lernen bzw. sich hierzu zu motivieren in Verbindung mit teilweise schlechten Ergebnissen im Klausurenkurs. Das hat manchmal extrem gefrustet, weil ich eigentlich dachte, die Klausur lief ganz gut. Allerdings hat es mir geholfen, dass ein Licht am Ende des Tunnels abzusehen war. Von daher, Augen zu und durch, irgendwann ist es vorbei!

 

Worauf kam es aus deiner Sicht letztlich besonders an im Examen?

 

Nach Durchsicht der Bewertungen meiner Examensklausuren kann ich sagen (oder bilde mir zumindest ein es sagen zu können): Es kommt nicht darauf an, dass etwas bis ins kleinste Detail gekonnt wird. Erforderlich ist vielmehr, dass man Systemverständnis zeigt und verstanden hat, warum man eigentlich gerade etwas bestimmtes prüft. Es ist enorm wichtig, dass man die Grundlagen beherrscht (also m.a.W. die Basiskarten), denn darauf baut letztlich alles auf. Man soll zeigen, dass man mit dem Gesetz umgehen und konkret subsumieren kann. So war ich zwar im öffentlichen Recht in einer Klausur auf eine völlig falsche Bahn geraten und habe "falsche" Ausführungen gemacht (zumindest laut meiner Korrektoren, a.A. vertretbar) – war dann trotzdem zweistellig, denn ich konnte den Fall "mit schlüssiger Argumentation zu vertretbaren Lösungen bringen". Das zeigt, dass stringente Arbeit am und mit dem Gesetz und eigene Argumentation, die zwar zu einer vermeintlich "falschen" aber dennoch vertretbaren Lösung führen, von ganz zentraler Bedeutung für eine zufriedenstellende Note sind – auch wenn es nicht der Musterlösung entspricht.

 

Auch kann ich nur bestätigen, dass man Meinungsstreitigkeiten nicht auswendig lernen sollte bzw. muss. Vielmehr sollte man immer am Gesetz mit den bekannten Methoden argumentieren, denn der Streit kommt ja nicht von irgendwoher, sondern entzündet sich am Gesetz bzw. an dessen Interpretation. Zum anderen wird es viel mehr honoriert, wenn man eigenständig methodisch vorgehen kann, anstatt irgendwelche "Theorien" herunterzubeten, die man im Zweifel nicht verstanden hat.

 

Wenn du in der Zeit zurück zu deinem ersten Semester reisen könntest, welche Tipps würdest du deinem früheren Ich mitgeben?

 

Repetitio est mater studiorum. Genieße dein Leben, aber fange nicht erst in der letzten Woche mit dem Lernen an! Versuche Spaß an der Sache zu entwickeln, alles andere kommt mit der Zeit!

 

Was steht als nächstes an und wird Anki dabei auch eine Rolle spielen?

 

Ich starte im April in Bayern ins Ref. [Anmerkung Thomas: Das Interview datiert vom 08.02.2021.] Hierfür werde ich selbstverständlich auch mit Anki lernen und die (noch erscheinenden) Basiskarten als Grundlage für die Wiederholung des materiellen Rechts verwenden.


Paul, vielen Dank für das Interview!

 

 

 

👉 Tipp: Hier geht's weiter zu meinem letzten Interview mit Marie. Für allgemeines Feedback zu den Basiskarten klick hier.

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